Lonewolf Eurotrip

Vorwort

 

Bevor ich anfange: Warum mache ich mir die Mühe, das hier alles zu schreiben? Zum einen lasse ich so die gesamte Tour noch einmal vor meinem inneren Auge Revue passieren. Zum anderen wurde mir nach meiner letzten Tour und dem dazugehörigen Artikel (10 days under the sun) von mehr als einer Person zugetragen, es habe sie zu einer eigenen Tour motiviert. Das halte ich grundsätzlich für eine wirklich gute Sache… Einfach mal machen ist eben häufig der Beste Ansatz. Am Ende ärgert man sich deutlich seltener über die Dinge, die man nicht getan hat als über die, die man getan hat…

Eigentlich wollten wir ja zu dritt nach Schweden. Ich fand die Idee super und nachdem sich alle auf einen Termin verständigt hatten, räumte ich mir im Club den Zeitraum frei. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich das beste Team der Welt habe – danke für euer Backup!

Aber wie das mit Plänen nun mal so ist, machte uns das Universum einen Strich durch die Rechnung. Einer meiner Freunde fiel kurzfristig aus nachvollziehbaren Gründen aus. Schöne Scheiße… Ohne ihn fahren war nämlich keine Option. Schweden ist ja nächstes Jahr auch noch da – zumindest, wenn Trump seinen Mikropenis nicht mit Atomwaffen kompensiert.

Da ich nun sowieso frei hatte, plante ich spontan einen weiteren Eurotrip im Alleingang. Europa hatte für mich noch einige blinde Flecken auf der Ladkarte, die es auszumerzen galt. Der Plan: Slowenien – Kroatien – wieder Slowenien – Italien – Österreich – Deutschland. Mit der Erfahrung des letzten Jahres sollte das dieses Jahr im Grunde auch mit kurzer Vorlaufzeit funktionieren. Meine Shovelhead sah das allerdings anders.

Mir war klar, dass im Vorfeld die Anfahrt zur Kustom Kulture und zum Flanders Chopper Bash keinerlei Probleme darstellen – wenn der Eimer rumzickt, dann ausschließlich kurz vor dem großen Trip. Mir ist bewusst, dass das nicht ingenieurmäßig gedacht ist. Chopper haben aber eine Seele. Eine finsterer Seele. Deshalb springen die nach der Winterpause auch immer nach einem Kick an, wenn man alleine in der Tiefgarage steht und Fehlzünden 40 Kicks lang aus dem Vergaser vor der Kneipe.

Zur allgemeinen Überraschung war übrigens es dann exakt so: Nach dem Chopper Bash ließ der Kicker sich überaschend leicht betätigen. Wie sich kurz danach herausstellte, war eines der Zündkerzengewinde mittlerweile derart marode, dass die Kerze nicht mehr richtig abdichtete. Geil… eineinhalb Wochen vor Urlaubsantritt müssen also die Köpfe runter und neu gemacht werden. Gesagt – getan. Ab damit in den Ruhrpott (Danke, Didi…) und eine Woche später geplant, mit neuen Ventilen, Kipphebelwellen und Zündkerzengewinden abgeholt. Nach der Montage (mittlerweile geht’s mit verbundenen Augen) lief die Shovel wieder, wie sie sollte. Selbstverständlich habe ich im Vorfeld noch eine Menge anderen Kleinkram (Kondensator, Points, Vergaser, Bremsen, Bremsanker, Kette und Gaszug) erledigt, um den Stress während der Tour ein wenig zu schmälern (Danke an dieser Stelle auch an Michel und Nadja von Big Boys Cycles für ihre Geduld und ihren Support). Samstags morgens sollte es losgehen. Freitag Abend stand die Karre bepackt und ready for Takeoff im Boxclub. Wie ihr euch aber sicher jetzt schon denken könnt, rieb sich das Universum bereits die Hände, während es über meine Pläne lachte.

An dieser Stelle spare ich mir mal die Ausführungen zur Tourplanung, dem Gepäck, meiner Person und dem Setup – das unterschied sich dieses Jahr nur unwesentlich von der letzten Tour.

 

Etappe 1 – Erster Versuch

 

Etappe 1 sollte mich von Köln nach München führen. Sollte… wie der Zusatz ‘erster Versuch’ impliziert. Zu Beginn einer Tour ist die Motivation für gewöhnlich hoch und ich wollte die 580km auf der Autobahn fressen. Ich kam um kurz vor zehn im Boxclub an (Frühaufsteher werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr), schob die Shovel aus dem Club und sie startete beim ersten Kick. Gut soweit. Ab auf die Bahn, Kopf runter, Gashahn auf…. ein mulmiges Gefühl blieb allerdings. Letztes Jahr quittierte mein Chopper nach knapp 20km den Dienst aufgrund einer gebrochenen Ventilfeder. Nach 35km Fahrt kam die Autobahntankstelle Siegburg. Ich wollte den Tank und vor allem die Spritflasche randvoll machen und dann wieder zum Auspuff rausjagen. Auf der Verzögerungsspur fing der Motor dann an zu sprotzeln und ging selbstständig direkt an der Zapfsäule aus. Gutes Timing….

Ich tankte erstmal, schob die Shovel beiseite und versuchte sie anzukicken. Nichts… Nach einer gewissen Zeit kennt man seinen Schrotthaufen– hier stimmte was mit der Zündung nicht. Kondensator und Points hatte ich ja im Vorfeld gewechselt. Nachdem die Zündungsplatte demontiert war, kam mir schon das erste Fliehkraftgewicht entgegen. Es war einfach abgerissen. Warum? Weil es alt und aus gepresster Hühnerscheiße hergestellt ist vermutlich. Also nix mit einstellen und weiterfahren, sondern mit dem ADAC zurück zum Club. Ich versuchte es positiv zu sehen – immerhin konnte ich den Samstag Abend in der Frieda Bar verbringen… es gibt schlimmere Schicksale.

Da ich die Wartezeit auf den ADAC schon an der Raststätte genutzt habe, um bei Facebook in die Runde zu fragen, wer noch Fliehkraftgewichte für meine Shovel im Regal liegen hat, hatte ich am frühen Abend schon Gewissheit:

Thorsten von Deathfield Choppers hatte sie auf Halde. Manchmal ist dieser Social Media Kram eben doch nützlich…

 

Etappe 1 – Zweiter Versuch

 

Nach einem verkaterten Sonntag fuhr ich Montag Morgen nach Meckenheim, um bei Thorsten die benötigten Teile einzusammeln. Bezahlt, Teile geschnappt und meinen Jaguar über die Autobahn zurück nach Köln getrieben – jetzt hatte ich Hummeln im Hintern. Nachdem alles eingebaut und die Zündung ein weiteres Mal eingestellt war, lief der Eisenhaufen wieder nach dem ersten Kick. Die Kombination aus grundgereinigtem Vergaser, überarbeitet Köpfen und der frisch eingestellten Zündung schien zu funktionieren. Habe ich schon mal erwähnt dass ich ein Dickkopf bin? Nein? Bin ich… die zwei verlorenen Tage wollte ich nämlich raus fahren… demnach musste ich heute so weit fahren, wie es mir auf einem Starrrahmen möglich ist. Aber erst mal auf die Autobahn, dann bis München und danach mal weitersehen. Bis München war das Vertrauensverhältnis zu meinem Untersatz noch ein wenig porös… Da ich allerdings die knapp 600km ohne besondere Vorkommnisse absolvierte, keimte in mir das zarte Pflänzchen der Zuversicht. Ich muss zugeben, dass ich mich in Bayern auf meinem bepackten Chopper nie so richtig wohl fühle. Zulassungstechnisch besteht bei Choppern ja grundsätzlich Diskussionsbedarf und zumindest ein Gramm meines Gepäcks würde von bayrischen Ordnungshütern auch nicht allzu gerne gesehen.

80km vor Salzburg (es war 1:15 und ich mittlerweile schon ein wenig abgehalftert) schnitt mich ein schwarzer BMW. Kurz danach klappte unerfreulicherweise eine LED Tafel nach oben, die mich freundlich aber bestimmt dazu aufforderte, den Polizeibeamten zu folgen. Na großartig! Sollten diesmal nicht technische Probleme, sondern die Staatsmacht meinen Urlaub beenden?

Wie gewohnt parkten mich die Beamten zu, um eine Flucht zu verhindern. Mein Kicker hätte dazu vollkommen ausgereicht… Bevor die Kontrolle begann, wies ich die Beamten freundlich darauf hin, das ich an meiner Rechten Seite ein Messer am Gürtel trage und in meiner linken Hosentasche ein weiteres führe, während ich meine Hände auf meinem Schädel faltete. Ich wurde ‘entwaffnet’, schien aber dafür Sypathiepunkte gesammelt zu haben. Auf die Frage, wo es denn hingehen solle klagte ich mein Leid mit der maroden Zündung und zählte die geplanten Stops auf. Die Staatsmacht war amüsiert und ein wenig beeindruckt. Nach der Kontrolle meiner Papiere kam noch die übliche Frage nach meinem Zwillingsbruder und dessen momentaner und etwas spezieller Wohnsituation. Danach bekam ich meine Papiere wieder und man wünschte mir einen schönen Urlaub. Ich saß noch 5 Minuten auf dem Parkplatz und war baff. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber: nicht ale bayrischen Polizisten sind ruppig und übereifrig. Nachdem ich mich wieder gesammelt hatte, fuhr ich noch die Tankfüllung bis nach Österreich leer, tankte ein weiteres Mal und buchte von der Autobahn ein Hotel mit 24h besetzter Rezeption.

Ich war müde und es war mittlerweile auch ein wenig kalt. Meine Kleidung war eher für gemäßigte und mediterrane Klimazonen ausgelegt. Das Hotel lag allerdings in den Alpen. Es war dunkel, es hatte 4°C und ich spürte meine Hände nicht mehr…. Nach fast 900km musste ich mit Entsetzen feststellen, dass im Hotel nicht eine einzige Glühbirne brannte. Mit 24h besetzter Rezeption war wohl das Schloss mit Zahlencode gemeint. Ich war allerdings nicht bereit, auch nur einen einzigen Meter weiter zu fahren und rief die angegebene Nummer an. Nachdem ich den Inhaber geweckt hatte, öffnete er mir via Telefon die Eingangstür und sagte mir, welchen Zimmerschlüssel ich mir von hinter der Rezeption nehmen solle. Den Rest würden wir dann morgen klären. Nachdem ich eine halbe Stunde unter der heißen Dusche gestanden hatte, um meine Körpertemperatur wieder auf einen normalen Wert zu bringen, legte ich mich hin und schlief sofort ein.

 

Etappe 2

 

Ziemlich zerknautscht und mit beachtlichen Schmerzen im Gluteus Maximus stieg ich aus meinem Bett, um mich dem Frühstück zu widmen. Bei der Gelegenheit traf ich auch zum ersten Mal auf den Hotelier, den ich in der Nacht zuvor noch seines Schönheitsschlafs beraubt hatte. Mein Erscheinungsbild jagte ihm im ersten Moment vollkommen offensichtlich einen Schrecken ein, was sich aber im Verlauf unseres kurzen Gespräches schnell legte. Nach dem Frühstück wollte ich weiter. Wenn ich es heute bis nach Rovinj an der Adria schaffen sollte (Landstraße wohlgemerkt – Slowenien wollte ich mir unbedingt ansehen), wäre ich wieder im Zeitplan.

Das Alpenpanorama, das sich mir bot als ich mein Hotel verließ, entschädigte für die Strapazen der Nacht. Im Dunkeln hatte man es lediglich erahnen können. Beim Ankicken der Shovel sprang diese zwar wieder sofort an, allerdings mit einem lauten Knall. Die Rentnertruppe auf dem Parkplatz sprang geschlossen einen Meter zur Seite. Da war ja was… das Air Gap der neuen Zündkontakte musste wohl nach der langen ersten Etappe nachgestellt werden. Also noch schnell auf dem Hotelparkplatz den Deckel abgefummelt, eingestellt, fertig. Danach ging es los in Richtung Slowenien. Die Sonne schien, die Alpenluft war frisch und mir schien die Sonne aus dem Arsch. Nachdem ich die Grenze überquert (das kostete mich eine halbe Stunde, da nur ein Kontrollpunkt geöffnet war) hatte erreichte ich schnell den Triglav Nationalpark.

Ich habe mir vor der Tour bewusst kein Bild von Slowenien gemacht, da ich mir generell lieber mein eigenes mache. Kurzum: es ist wunderschön und ich war ganz sicher nicht zum letzten Mal dort. Der Nationalpark verfügt über den höchsten Gebirgspass Sloweniens – der Vršič-Pass. Den wollte ich mir nicht entgehen lassen – gute Entscheidung!

Lediglich die gepflasterten Spitzkehren waren für meinen voll beladenen Eisenhaufen und vor allem die Springergabel eine Herausforderung. Nach dem Abstieg vom Pass kam das Soča Tal, das ein weiteres Highlight auf dieser Etappe darstellte. Die Soča kreuzte mit ihrem hellblauen Strom immer wieder meinen Weg und die Temperaturen stiegen merklich, umso weiter ich Richtung Süden fuhr. Wenn ihr mal nach Slowenien kommt, dann kann ich euch dieses Kleinod nur wärmstens ans Herz legen.

Ich schlängelte mich nahe der italienischen Grenze über Land entlang Richtung Istrien und genoss die Landschaft ohne besondere Zwischenfälle – der losgerappelte Krümmer war da eher eine willkommene Pause. Leider ließ sich mein Hintern nicht mehr von der Landschaft beeindrucken. Das Sitzen fiel mir langsam aber sicher schwer, die Handgelenke waren geschwollen, der Rücken schmerzte und ich hatte im ersten Glied des rechten Ring- und Mittelfingers kein Gefühl mehr. Aber als ich die Grenze nach Kroatien auf Höhe von Mlini überquerte, sah ich endlich Licht am Ende des Tunnels. Das Landschaftsbild änderte sich mehr und mehr – Pinienwälder, mediterranes Klima und ich bildete mir ein, das Meer riechen zu können.Mit dieser Karotte vor der Nase und ständigen verändern der Sitzposition ging es voran.

Wie immer buchte ich meine Unterkunft beim letzten Tankstop vor Ankunft. Das hat sich bei meinem Trip letztes Jahr aus zwei Gründen als nützlich herausgestellt: Zum einen ist man dann sicherer, pannenfrei anzukommen. Zum anderen sind Unterkünfte auch gerne mal spontan ‘ausgebucht’, wenn ein Typ wie ich schmutzig und mit dezentem Abgasgeruch und einem riesigen Seesack an der Rezeption auftaucht. Ich hatte ein Privatappartement im Herzen der Altstadt von Rovinj gebucht. Die Lage ist an sich ist ein Vorteil, aber da die Altstadt mit ihren winzigen Gässchen komplett für Verkehr gesperrt ist, musste ich meine 25kg Gepäck zu Fuß ins Ziel schleppen.

Dafür war das Appartement (dank meinem Misstrauen gegenüber der amerikanischen Ingenieurskunst zum Last Minute Preis gebucht) perfekt. Schnell geduscht, Euros in Kunas gewechselt und ab in die Altstadt. Die ist zwar sehr touristisch, entschädigt aber durch ihren Flair. Ich suchte mir ein nettes Restaurant und bestellte Fisch und Bier – immerhin war ich direkt am Meer.

Nach dem Essen schlenderte ich ein wenig herum und verschaffte mir einen Einruck von dem kleinen Küstenstädtchen. Ist wirklich schön da. Am Hafen tanzten hunderte Menschen zu Live Musik und die kleinen Gässchen waren voll. Es fühlte sich tatsäch nach Urlaub an. Den Rest des Abends verbrachte ich am Hafen in einer ruhigen Ecke mit Meerblick und ließ die vergangenen zwei Etappen Revue passieren. Ich hatte es tatsächlich bis Kroatien geschafft… und das in nur zwei Tagen. Garnicht mal so übel für einen alten Mann und eine noch ältere Maschine.

 

Etappe 3

 

Am nächsten Morgen wachte ich gut ausgeruht auf. Das mag zum einen daran gelegen haben, dass ich genug geschlafen hatte, zum anderen daran, dass mein Gepäck jetzt 0.2 Gramm weniger wog. Dennoch jammerte mein Körper lauthals über die Tortur der vergangenen zwei Tage. Ich beschloss, zuerst mein Motorrad zu packen, dann zu Frühstücken und danach in aller Ruhe in Richtung Rijeka zu fahren. Hier hatte ich über Couchsurfing eine sympathische Lady akquiriert, dazu aber später mehr. Als ich bei meinem Motorrad ankam, war ich bereits durchgeschwitzt. Es hatte >30°C und mein Gepäck war dank all dem Werkzeug nach wie vor schwer.

Erstaunt stellte ich fest, dass ich am Vorabend offensichtlich meinen Helm auf der Sissybar vergessen hatte. Scheinen ehrliche Menschen zu sein, diese Kroaten… Neben mir parkte eine neumodische Harley mit all diesen technischen Finessen wie Seitenkoffern, Windschutzscheibe, Spiegeln, Blinkern und Bremsen. Diese verfügte über ein deutsches Nummernschild. Bedingt durch die Tatsache, dass das bepacken mit Zurrgurten immer etwas Zeit in Anspruch nimmt, lernte ich die Besitzer auch bald kennen. Es war ein Ehepaar aus Süddeutschland, die mir erst nach zweimaliger Bestätigung glaubten, dass ich dieses Motorrad die ganze Strecke von Köln nach Rovinj gefahren habe. Mein Frühstück im im ‘Buffet Trevisol’ war tadellos – ein wirklich sympathischer Laden.

Danach schlenderte ich zurück zum Motorrad und spürte noch immer jeden Knochen in meinem Körper. Mich beschlich das Gefühl, langsam technisch auf den Stand meines Motorrades zu degenerieren. Zum Glück war die nächste Etappe lediglich 120km lang. Auch dieses Mal wurde es bergig – grundsätzlich ist das für mich ja immer ein Grund zur Freude.

Also bergauf, bergab, über Buckelpisten sowie gut geteerte Straßen. Hier war für jeden etwas dabei. Ich ließ mir Zeit und stoppte in Učka im Restaurant ‘Dopolavoro’.

Ich war der einzige Gast, ausgestopfte Tierpräparate soweit das Auge reichte und es gab sogar ein Bärensteak auf der Karte. Ich entschied mich trotzdem für etwas weniger exotisches. Das Panorama war erstklassig und die letzten Kilometer nach Rijeka vergingen wie im Flug. Ich sollte meine Couchsufing-Bekanntschaft Silvia vor dem größten Theater der Stadt treffen.

Silvia betreibt die Kochschule KuHarmoija, singt, ist Lifecoach und praktiziert Reiki. Mein riesiges Zimmer war in ihrer Kochschule am Hafen mitten im Zentrum. Dazu war Silvia auch noch eine wirklich gute Stadtführerin – besser hätte ich es kaum treffen können. Kurz nach meiner Ankunft saßen wir schon auf der Festung Trsat und ich hatte ein Bier in der Hand.

Danach verbrachte ich den ersten Teil des Abends alleine in Rijeka, da Silvia beschäftigt war. Ich bin ja aber kein Kind von Traurigkeit und setzte mich nach einem Abendessen ind die BarBar. Silvia kam später dazu und wir wechselten in eine Bar mit Blick auf das uralte, aber immer noch genutzte Gefängnis. Seelische Grausamkeit par excellence – da sitzt man schon im Knast und muss den freien Menschen im Sommer beim Bier trinken zusehen…

 

Auch an diesem Abend fiel ich todmüde ins Bett. Die Etappe war zwar nicht lang, aber mein Körper hatte einen Wartungsstau.

 
 

Tag zwei in Rijeka

 

Ich wachte  auf und fühlte in mich hinein – mein Körper regenerierte offensichtlich. Ausserdem hatte auch schon einen Mail von Silvia. Sie hatte sich den Tag freigenommen und war in ihrer Heimatstadt Kastav nur wenige Kilometer entfernt von Rijeka und lud mich ein, mit ihr und ihrer Freundin Mirna einen alten Turm zu besteigen und danach Mittag zu essen. Ich ging vor die Tür und fand mich mitten auf dem Markt von Rijeka. Nachdem ich einen Apfel und eine Banane erstanden hatte, bestellte ich mir ein Uber und ließ mich nach Kastav fahren. Die Straßen wurden enger und steiler, bis es irgendwann nicht mehr weiter hoch ging – dachte ich.

Zu Fuß kam ich dann endlich an dem kleinen Café an, wo ich Silvia und Mirna traf. Nach dem obligatorischen Kaffee (okay, es waren zwei) ging es zur Burg Kastav und danach zur Kirchenruine.

Wirklich ein sehenswertes Städtchen, das ich wohl niemals ohne meine freiwilligen Fremdenführerinnen gefunden hätte. Es gibt dort übrigens einen verschlossenen Brunnen, in dem der Legende nach die letzte europäische Hexe ertränkt wurde. Ich halte das für unwahrscheinlich, da mir spontan noch die ein- oder andere lebendige einfällt… Aber so ist das eben mit Legenden. Das Mittagessen gestaltete sich wie folgt: kleines Restaurant, guter Wein aus der Region Krk und landestypisches Essen. Ich bin nicht der Typ, der im Urlaub immer das Jägerschnitzel mit Fritten bestellt. Da die beiden Mädels ja aber Locals sind, hatte ich die wohl beste Beratung. Der ursprüngliche Plan war, von Rijeka an den Plitvicer See ins Naturschutzgebiet zu fahren. Dort war allerdings Dauerregen und 16°C vorhergesagt, weshalb dieser Plan am Mittagstisch verworfen und durch eine weitere Übernachtung in Silvias Kochschule substituiert wurde.

Wir ließen den Abend bei Bier und Gesprächen im Hafen ausklingen. So lässt es sich in Kroatien gut aushalten…

 

Etappe 4

 

Nach einem ausgiebigen Frühstück kam die Zeit des Abschieds. Der fiel mir schwerer als erwartet – Silvia ist schlichtweg eine tolle Person. Aber es nützt ja alles nichts – ich habe ja schließlich noch ein paar Etappen vor mir. Die nächste war Zagreb. Es ist übrigens kein Zufall, dass ich dort an einem Freitag ankommen sollte. Ich hatte Lust, in guter Gesellschaft ein paar Bier zu viel zu trinken. Auf meine Frage, wo ein Typ wie ich in Zagreb hingehen sollte, antwortete Silvia ohne eine Sekunde zu überlegen mit ‘Bikers Beer Factory’. Sie ist ohnehin kein Kind von Traurigkeit, hatte aber dort auch schon einen Auftritt mit ihrer Band. ‘Bikes, Beers, Boobs and Live Music…’ sagte sie mit einem Augenzwinkern. Klang für mich nach einem annehmbaren Unterhaltungskonzept. Aber erst mal musste ich dort ankommen… Da Silvia beteuerte, dass die Autobahn durch die Berge wunderschön sei, mir das 2 Stunden Fahrt sparte und das Wetter mit Regen drohte, entschied ich mich für diesen Weg. Wem wollte ich nach den ersten zwei Etappen noch etwas beweisen? Silvia sollte Recht behalten – die Autobahn war landschaftlich tatsächlich wunderschön. 30 Minuten vor Zagreb kam ich dann allerings doch noch in einen Platzregen. Da ich binnen Sekunden komplett durchgeweicht war, beschloss ich den Regen zu ignorieren und einfach durchzufahren.Zumindest die Regenjacke hatte ich vor Fahrtantritt übergeworfen…

Meine Unterkunft war ein City Appartement im Zentrum. Ich befestigte meinen Chopper an einem Geländer (sicher ist sicher), checkte ein und kippte im Zimmer erst mal meine Redwing Boots im Waschbecken aus. Wasserdicht heißt eben auch, dass Wasser, das von obern hereinläuft, nicht mehr abfließt. Nach einer heißen Dusche zog ich mit nassen Stiefeln und trockenen Klamotten los, um etwas zu essen aufzutreiben. An dieser Stelle sei erwähnt, dass das Restaurant ‘Gostionica Tip-Top’ nicht nur über Kellner mit sprödem Charme, sondern auch über hervorragendes sowie ünstiges Essen verfügt. Mittlerweile war es schon dunkel und ich schlenderte an diversen Kneipen vorbei Richtung Bikers Beer Factory.

Die liegt etwas stadtauswärts und es war ein Stückchen zu laufen. Da ich ja aber in den letzten Tagen ausreichend mit Sitzen beschäftigt war, kam mir das gelegen. Außerdem erkundet man eine Stadt so am besten. Die Bikers Beer Factory war verglichen mit all den anderen Läden deutlich näher an meinen Präferenzen. Rock, Ožujsko vom Fass, große Außengastro, lange Bar, Liveband und Menschen, die man zweifelsfrei in die alternative Ecke einordnen konnte.

Hier lernte ich Dragan, einen 56jährigen Musiker und seine 22jährige Freundin (ich habe mal einfach nicht nachgefragt) kennen. Der hatte irgendwie einen Narren an mir gefressen und schmiss eine Runde nach der anderen. Als ich wankend die Beer Factory verließ, spülte es mich noch in die Vintage Industrial Bar, die nur ein paar Meter weiter rechts lag. Hier gab es ebenfalls Livemusik, industriellen Charme und (surprise, surprise) Bier.

Zugegebenermaßen verschwimmen meine Erinnerungen hier ein wenig, deshalb jetzt in Kurzform: Pizza, Wasser, Uber, verlaufen, doch noch die Unterkunft finden, Klamotten überall im Zimmer verteilen und einschlafen.

 

Etappe 5

 

Da mein nüchternes Ich dem betrunkenen ich meist einen Schritt voraus ist, klingelte um 10h der Wecker meines Mobiltelefons. Mein Kopf brummte ein wenig und ich konnte nicht mehr nachvollziehen, wie lange ich eigentlich geschlafen habe. Ich erledigte schnell die notwendigen Renovierungsarbeiten an mir, packte allen Kram zusammen und belud mein Motorrad. Next Stop: Ljubljana! Irgendwo unterwegs wollte ich noch anhalten und frühstücken. Da mein Navi mich stadtauswärts in Richtung Autobahn direkt zurück zur Bikers Beer Factory führte, hielt ich dort an. Die haben nämlich schon um 10h geöffnet und man kann dort auch essen. Das dieser Stop mir vermutlich meinen tätowierten Arsch gerettet hat, war mir da natürlich noch nicht klar. Da es ohnehin schon fast 12h war, bestellte ich mir ein Wagenrad von Pizza und quatschte mit den Jungs vom Hollister MC Croatia. Die Jungs waren authentisch und feierten die Tatsache, dass man auf so einem Eisenhaufen Kilometer frisst. Man braucht eben nur Willen und Werkzeug. Die Ausfahrt aus der Beer Factory führt über einen Bordstein und Strassenbahngleise. Beim darüberfahren fühlte sich die Gabel irgendwie sketchy an. Das Navi zeigte noch 800m bis zur Autobahnauffahrt, also fuhr ich nochmal rechts ran, um nach dem Rechten zu sehen. Zum Glück. Meine Kronenmutter der Vorderachse saß noch auf 2(!) Gewindegängen. Das Vorderrad auf der Autobahn zu verlieren ist eher mäßig lustig. Wie der Sicherungssplint dort abhanden gekommen ist, kann ich bis heute nicht nachvollziehen – ich habe ihn ganz sicher wieder eingesetzt, nachdem ich vor Fahrtantritt die Bremse vorne überprüft habe. Ich holte das Gepäck wieder vom Motorrad und kramte das Werkzeug hervor. Das Problem gehört ja eher zu den leicht zu behebenden, weshalb ich nach kurzer Zeit schon wieder auf der Autobahn war.

Ljubljana ist Sloweniens Hauptstadt, die ich daher auch an einem Samstag besuchte. Irgendwas musste ich ja schließlich gegen meinen Kater unternehmen… Da ist ein Reparierbier genau das Richtige. Zudem musste ich ja auch das Verhältnis zwischen Einsamkeit und Geselligkeit ausbalancieren.

Michael hatte sich via Couchsurfing angeboten, mir Obdach zu gewähren. Wie sich herausstellte, promoviert er in Mathematik, steht auf Deathmetal und hat einenFable für Botanik. Man kann Michael definitiv als komischen Vogel bezeichnen – aber ihr wisst ja: komische Vögel sind die besten überhaupt! Die Chemie hat sofort gepasst und ich habe noch nie einen Couchsurfing Host getroffen, der eine so umfangreiche und unterhaltsame Stadtführung mit mir absolviert hat. Wir liefen an der Ljubljanica entlang zur Burg.

Die Aussicht von hier war hervorragend und das Wetter meinte es gut mit mir. Wir saßen stundenlang auf dem Hügel und testeten botanische Erzeugnisse.

Nach einer umfangreichen Burgführung (er kannte wirklich jeden Winkel) machten wir uns auf den Weg zurück ins Zentrum.

Langsam bekam ich wieder Lust auf Radau und Bier, also schlug Michael das Viertel Metlkova vor. Dabei handelt es sich um ein altes Kasernengelände, das komplett besetzt und autonom ist. Eine ausgezeichnete Wahl!

Hier finden sich Bars und Veranstaltungslocations. Für günstiges Bier und Punkrock live kann ich mich ja dann doch immer erwärmen. Und tatsächlich fiel ich hier mit meiner Optik nicht nennenswert auf – ein gutes Zeichen. Nicht, dass ich damit ein Problem habe. Manchmal ist es aber auch angenehm, mal nicht der bunte Hund zu sein. Ich bin mir relativ sicher, mich an eine Taxifahrt zurück erinnern zu können…

 

Etappe 6

Ich wachte erstaunlich fit in Michaels Zimmer im Studentenwohnheim auf. Es war allerdings in Erwägung zu ziehen, dass der Kater vielleicht noch kommen sollte. Aber egal – die nächste Etappe sollte nicht allzu lang werden. Was ich heute lernen sollte: Wenn man in Slowenien das Navi auf ‘kurvig’ und ‘Autobahn vermeiden’ einstellt, passieren unterhaltsame Dinge. Nach Essen war mir noch nicht zumute – das verschob ich mental auf den nächsten Stop. Michaels Kaffee war allerdings ein wahrer Augenöffner. Noch wacher wird man von keiner legal erhältlichen Substanz. Danach kam das tägliche bepacken des Motorrades. Nach ein paar Tagen auf der Straße geht das immer leichter von der Hand, ist aber dennoch nervig. Nach meinem Abschied von Michael (ich hoffe, wir laufen uns mal wieder über den Weg – Thanks for the good time!) verließ ich Ljubljana auf dem Weg nach Artegna im Friaul. Hier verfügt mein Onkel über ein Ferienhaus, das er mir für die Übernachtung überließ. Die schon etwas in die Jahre gekommenen Nachbarn wurden im Vorfeld informiert, um einen unnötigen Polizeieinsatz zu verhindern. Die Route sollte über Land- und Passstraßen führen, da ich mir ja nach wie vor ein Bild von Slowenien machen wollte. Von Nord nach Süd war ich ja bereits an Tag zwei meiner Tour durchgefahren, aber sicherheitshalber dann jetzt nochmal von Ost nach West. Immer wieder beugte ich mich vor und sach nach dem Sicherungssplint, der mir in Zagreb fast einen Herzstillstand beschert hatte. Er war noch da. Mir schwante, was auf streckentechnisch auf mich zukommt, als das erste Mal der Asphalt endete und ich über eine unbefestigte Schotterpiste fuhr.

Landschaftlich bin ich immer noch beeindruckt von diesem kleinen Land. Zudem kann man hier auch mal gut und gerne zwei Stunden fahren, ohne irgendwem zu begegnen. Auch die Soča kreuzte mal wieder meinen Weg. Irgendwann wurde es bergig . Sehr bergig.

Bergauf ist das Ganze mit Suicide Clutch und Jockey Shift ein Riesenspaß. Bergab macht sich die Kombination aus unterdimensionierten Bremsen und erhöhtem Schwerpunkt durch Zuladung dann aber doch bemerkbar. Fragt mich nicht, welche Passstraße es genau war, aber als bei 14% Gefälle und ohne jegliche Seitenbegrenzung der Belag von Asphalt auf Schotter wechselte, wurde es sketchy. Der Schotter verfügte über tiefe Spurrillen, Auswaschungen und Schlaglöcher von beeindruckenden Dimensionen (ich habe mehr als einmal mit dem Rahmen aufgesetzt). Das 21“ Vorderrad folgte treu den Auswaschungen, das Hinterrad blockierte bei leichtem Bremsen und ich bereitete mich immer mal wieder mental darauf vor, abzuspringen und mein Motorrad dem Abgrund zu opfern, um mein Leben zu retten.

Das erste Mal überhaupt wünschte ich mir ein orthodoxeres Lenkerdesign. Aber selbstverständlich wurde die Shovelhead nicht Opfer des Abgrundes und auch die längste Abfahrt findet irgendwann ein Ende. Rückwirkend betrachtet sehe ich diesen Teil der Etappe als gute Übung an. Was soll mich jetzt noch schokieren? An der Grenze zu Italien war Stau. Ein laaaaanger Stau. Und heiß war es noch dazu. Nach einer halben Stunde Schwitzen, Anfahren und wieder Anhalten war ich endlich dran. Der italienische Grenzbeamte mit Glatze und stechend, blauen Augen musterte mich kritisch und deutlich länger, als es nötig gewesen wäre. Ich behielt mein Pokerface auf, bekam meinen Ausweis zurück und durfte unkontrolliert einreisen. Gut soweit…  Am Haus in Artegna angekommen lud ich erst mal ab, zog den Krümmer nach, stellte die Bremse nach und erkundete meine Bleibe für diese Nacht. Mein Onkel hat einen Fable für Wein und hatte eingeräumt, dass ich mich bedienen darf – der letzte Teil des Abends war also schonmal geplant. Da Artegna nicht besonders groß ist, gibt es hier auch kein Restaurant. Aber die Pizzeria, die mein Onkel empfohlen hatte, war nur 10 Minuten Fahrt entfernt.

Also ging es nach einer Dusche zum Restaurant ‘Rivera’ einen Ort weiter. Ich hatte Spaß am Fahren mit der unbepackten Maschine, erntete aber jede Menge verständnislose Blicke. Irgendwie fügten mein Chopper und ich uns nicht so recht in das verschlafene Panorama ein. Da die empfohlene Pizzeria an diesem Sonntagabend scheinbar der Nabel des gesellschaftlichen Treibens in der Region war, fühlte ich mich schon beim Absteigen wie eine Zirkusattraktion. Aber das habe ich ja zumindest teilweise selbst verschuldet und bin es auch schon gewöhnt. Das Essen entschädigte diesen Umstand ausreichend – Pizza können die Italiener eben am besten. Zurück am Haus leerte ich eine Flasche Sauvignon auf dem Balkon mit Bergpanorama, sinnierte über die vergangenen Tage und genoss die Einsamkeit.

 

Etappe 7

 

Ich wachte auf und stellte bei der morgentlichen Inspektion erstaunt fest, dass mein Körper sich regeneriert anfühlte. Die Unterarme waren noch ein wenig platt von dem Schotter-Pass des Todes, aber der Rest war überraschend gut beisammen. Es folgte das obligatorische, fast meditative Packen und weiter ging die Reise. Nächster Halt: Kaltenbach im Zillertal. Ich mag die Alpen wirklich sehr und freute mich auf eine weitere Überquerung. Auch diesmal verzichtete ich auf Autobahn und Shortcuts, sondern fuhr ausschließlich Land- und Passstraßen.Wieder wanderte mein Blick zum Sicherungssplint in der Vorderachse. Noch da… gut.

An einem der Bergpässe in den Dolomiten hielt ich hinter den ersten zwei Choppern, die ich auf dieser Tour bewusst wahrgenommen habe. Einer auf Basis einer Intruder und einer auf Basis einer Evo-Sportster. Beide hatten ihre Ladys dabei und fuhren so, wie sie aussahen: Alt und müde. An dieser Stelle sei angemerkt, dass ich zwar häufig zügig unterwegs bin, aber nie schneller als es die Brems- und Fahrwerkstechnik meines Untersatzes erlaubt – better be safe than sorry. Diese beiden konnte man allerdings ruhigen Gewissens als Verkehrshindernis bezeichnen. Es ist schon erstaunlich, wie langsam man mit einem Motorrad fahren kann, ohne umzukippen. Als sich endlich die Gelegenheit ergab, überholte ich beide wild schaltend und kuppelnd und landete hinter einer Dame auf einer neumodischen Ducati. In Anbetracht des Nummernschildes und der von ihr gefahrenen Linie war sie ortskundig – und dank dem für eine Rennmaschine eher zurückhaltende Fahrweise konnte ich mich locker ranhängen. Ganz nach dem Motto: Wenn sie die Kurve schafft, schaffe ich die auch. Und dann passierte es: in einer langgezogenen Rechtskurve bergab musste sie Notbremsen, da eine Herde von mehr als 40 Eseln die Straße hinauf getrieben wurde. Nur durch sie als menschliches Schutzschild schaffte ich es, rechtzeitig anzuhalten. Sie allerdings kippte mit ihrer Ducati um, nachdem sie zum Stillstand gekommen war. Ich stellte meinen Untersatz schnellstmöglich sicher ab (gar nicht so einfach bei dem Gefälle in einer Kurve) und befreite sie aus ihrer misslichen Lage. Die beiden Bauern, die offensichtlich zu der Herde gehörten, zeigten sich sichtlich unbeeindruckt – war sicher nicht das erste Mal. Außer ein paar Kratzern am Lacksatz und ihrem Stolz war zum Glück nichts passiert, weshalb ich meine Fahrt fortsetzte, während sie mit dem entsprechenden Esel Versicherungsdaten austauschte. Von allen Pässen auf dem Weg ins Zillertal ist mir die Zillertaler Höhenstraße am meisten im Gedächtnis geblieben. Die ist steil. Und schmal. Und das Panorama ist wirklich sehenswert. Da der Straßenbelag immer mal wieder mein Vorder- und Hinterrad dazu veranlasste, den Kontakt vollständig aufzugeben, war vorsicht angesagt. Bergab mit 16% (!) Gefälle musste ich mit rundum mechanischen Trommelbremsen eine weise Kombination aus Motorbremse, Vorderradbremse (eher zur Zierde gedacht) und Hinterradbremse wählen. Letztere quittiert wiederholte Bremsmanöver mit exzessivem Fading, weshalb man ihr immer mal wieder Zeit zum Abkühlen gönnen muss. Die Gerlos Alpenstraße hatte einen wirklich beeindruckenden Wasserfall zu bieten, der mich einige Zeit in staunender Verwunderung hielt.

Das Ganze hat sich definitiv gelohnt, war aber natürlich auch anstrengend. Als ich vor meinem Hotel im Zillertal hielt, war ich auch irgendwie froh, die Alpenüberquerung weitestgehend hinter mich gebracht zu haben. Da ich immer mal wieder angehalten hatte, um im Dreck zu sitzen und das Panorama auf mich wirken zu lassen, war es beim Einchecken bereits 20:30. In Kaltenbach war außerhalb der Saison nicht viel los. Die Skilifte baumelten nutzlos über den Almen, die Schneekanonen glitzerten in der Sonne und nur einige wenige Wanderer stapften durch die angrenzenden Wälder. Nach einer schnellen Dusche machte ich mich auf den Weg, um etwas essbares aufzutreiben. Mein Mittagessen in den Alpen mit Wahnsinnspanorama war üppig, aber dennoch wollte ich nicht ohne etwas ins Bett gehen. Dummerweise waren die Küchen von allen Restaurants bereits geschlossen – großartig. Dann eben Flüssignahrung. Die VIP Bar in Kaltenbach servierte kaltes Bier und auf Nachfrage sogar Pizza. Hervorragend! Danke für die Rettung in letzter Sekunde… Ich unterhielt mich mit den Jungs am Nebentisch, die mich fragten, ob das Motorrad vorm Explorers Hotel meins wäre. Scheint ziemlich offensichtlich zu sein: beide sind patiniert, brauchen ein paar Liter zu viel und haben Macken. Die Nacht im Hotel war erholsam und das Rauschen des Baches direkt vor meinem Fenster wirklich angenehm. Ich gönnte mir und meinen Unterarmen eine ausgedehnte Nachtruhe.

 

Etappe 8

 

Das Frühstück im Explorer Hotel war tadellos. Wirklich. Alles da, was man braucht. Gesund Essen war hier definitiv kein Problem. Gut gestärkt marschierte ich vor die Tür, breitete mein Werkzug aus und investierte weitere 15 Minuten in die Instandhaltung meiner Maschine. Dabei unterhielt ich mich mit einem Einwohner jenseits der 80 Jahre, der in seiner Jugend auch viel mit dem Motorrad durch die Welt getingelt ist. Er freute sich, dass es noch Menschen gibt, die sowas noch immer tun. Von hier aus sollte es über Land nach München gehen – der Letzte Stop vor Köln. Aber selbstverständlich lag noch ein Rest der Alpen vor mir.

Ich verabschiedete mich gedanklich von meinem Lieblingsgebirge, als das Land langsam immer flacher wurde. Vorbei am Achensee und Tegernsee erreichte ich bald über langgezogene Kurven die unbesetzte Grenzstation nach Deutschland. Ich hatte genug Grenzen überquert und Misstrauen geweckt – da kam mir die freie Durchfahrt sehr gelegen. Erst jetzt schätzte ich den Zustand der deutschen Landstraßen gebührend – keine Überraschungen bezüglich des Fahrbahnbelages und vor jeder halbwegs engen Kurve ein Schild. Auch hier wartete ein Hotel auf mich – bezüglich des Preis / Leistungs Verhältnisses konnte die in die Jahre gekommene Ausstattung allerdings nicht überzeugen – Welcome to Munich.

Dafür gab es gratis Late Check Out! Endlich mal Ausschlafen. Ich marschierte in die Stadt und gönnte mir Bier und Semmelknödel im Paulaner Biergarten. Das können die Bayern – muss man ihnen lassen. Es war bereits spät, als ich zurück im Hotel ankam und ich erleichterte mein Gepäck um weitere 0.2 Gramm. Sicherheitshalber versteht sich – mit bayrischen Autobahnen hatte und der Staatsmacht hatte ich ja auf dem Hinweg bereits Erfahrungen gemacht…

 

Etappe 9

 

Morgens verließ ich das Hotel zur letzten Etappe nach Köln. Ein wenig freute ich mich auf den Moment, an dem man in die Kölner Bucht einfährt und vom Dom begrüßt wird. Nach ein paar Tagen on the Road bin ich im Grunde immer froh, wieder zurück zu sein. Der Rückweg an sich ist aber ähnlich nervig wie der Rückflug aus dem Urlaub – alles interessante liegt schon hinter einem und man möchte nur schnellstmöglich nach Hause. So war auch mein Plan. Also das gleiche Konzept wie auf dem Hinweg: Kopf runter, Gashahn auf und ab dafür. Das Wetter ließ leider nichts gutes vermuten, aber es gab eine realistische Chance, nicht nass zu werden. Ich nehme das mal direkt vorweg: Es hat nicht geklappt. Zuerst geriet in in einen Hagelsturm. Regentropfen können ja schon schmerzhaft sein, Hagel ist da logischerweise eine Nummer härter. Zweimal hockte ich wie ein Troll unter einer Autobahnbrücke und wartete das Schlimmste ab.

Nach 6 Tankfüllungen kam dann endlich der ersehnte Moment: Der Dom reckte seine beiden Spitzen in den blauen Himmel – in Köln ist das Wetter eben meistens gut. Einem Gefühl von Heimat konnte ich mich nicht entziehen.

Mit etwas Abstand betrachtet war die Tour ein voller Erfolg. Mir fällt keine bessere Alternative ein, ein unbekantes Land zu erleben, als auf dem Sattel eines Motorrades. Der Alleingang mag nicht jedermanns Sache sein, aber eines steht unumstößlich fest: nur ausserhalb der Komfortzone werden Grenzen verschoben. Die Begegnungen mit den Menschen auf meiner Tour möchte ich auch auf keinen Fall missen… viel gesehen, viel gehört, viel gefahren und mich frei gefühlt. Mehr wollte ich im Grunde ja nicht.